Zusammenfassung
PolluConf 2022: Risiken wahrnehmen, richtig handeln

Unter dem Titel «Gefahren erkennen – richtig handeln» fand am 16. September 2022 in Biel die dritte PolluConf statt. In einer ganzen Reihe von interessanten Vorträgen teilten Expertinnen und Experten ihr Fachwissen und sprachen über ihre Erfahrungen. Sie streiften dabei Themen von der Risikowahrnehmung über die Festlegung von Grenzwerten für PAK und PCB bis hin zur Entsorgung von Asbest in der KVA und die neuen Vorgaben für die Kontrollen von Sanierungszonen. Daneben gab es eine Ausstellung, an welcher verschiedene Firmen ihre Produkte und Dienstleistungen anboten. Eine sehr reichhaltige und inspirierende Veranstaltung.

Zum dritten Mal fand die von den Fachverbänden VABS und FAGES getragene PolluConf-Tagung in Biel statt. Dieses Jahr stand die Veranstaltung unter dem Thema «Risiken wahrnehmen – richtig handeln».

Risiken wahrnehmen und beurteilen

Den Einstieg in die Konferenz machte Angela Bearth. Sie forscht an der ETH Zürich zur Frage: Wie nehmen Menschen Risiken wahr? Sie wies speziell darauf hin, dass Menschen Risiken in der Regel sehr subjektiv wahrnehmen und sich diese oft von der Wahrnehmung von Expert·innen unterscheidet, was nicht selten zu falschen Prioritäten führt. Für Bauschadstoff-Fachpersonen ist es entsprechend wichtig, dass sie sich dieser Differenzen bewusst sind, sich in ihrer eigenen Beurteilung auf Fakten stützen, und dass sie entsprechend klar kommunizieren.

Im Anschluss daran sprach Dr. Med. Christoph Bosshard, Versicherungsmediziner bei der Suva darüber, wie MAK-Werte festgelegt werden, und wie es zum neuen MAK-Wert von PCB kam. Das Thema vertiefte Dr. Philippe Schneuwly, Arbeitshygieniker und Sicherheitsingenieur von der Suva, der die Resultate von Arbeitsplatzmessungen bei PCB- und PAK-Sanierungen vorstellte. Das wesentliche daraus: Bei PCB-Sanierungen kommt es ausser beim Schleifen selten zu Exposition über dem MAK-Wert, auch wenn dieser Anfangs Jahr um einen Faktor 10 heruntergesetzt wurde. Man ist hier also bereits heute auf der «sicheren» Seite, das heisst, dass die heute üblichen Massnahmen ausreichen, es sei denn, der MAK-Wert wird nochmals heruntergesetzt. Hingegen haben die Messungen beim Arbeiten mit PAK-haltigen Materialien ergeben, dass der MAK-Wert (vor allem für Benzo[a]Pyren) hier immer wieder überschritten wird. Die geläufige Meinung, wonach PAK weniger problematisch seien als PCB, wird also aus Sicht des Arbeitnehmerschutzes nicht bestätigt. Nach aktuellem Wissensstand ist dies eher umgekehrt.

Die Suva strebt im Übrigen an, auf Grund dieser Erkenntnisse ein Merkblatt für die Sanierung von PCB und PAK zu publizieren. Bis dieses herauskommt, sind aber noch weitere Messungen nötig.

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Chemische Bauschadstoffe - Identifizieren und entfernen

Im zweiten Teil der Konferenz gab es drei spannende Vorträge zu chemischen Schadstoffen. Den Beginn machte Markus Zennegg, Forscher an der Empa, der von verschiedenen Fällen berichtete, bei welchen chemische Schadstoffe in problematischen Mengen vorkamen. Er relativierte dabei die Schlussfolgerung zu PCB: Für den Arbeitnehmerschutz mögen diese nicht so problematisch sein. Gelangen diese aber in die Umwelt, können sie langfristig durchaus negative Auswirkungen haben.

Herr Zennegg schilderte auch einen Fall, bei dem Anwohner·innen aufgrund von Holzschutzmitteln in Wohnräumen krank wurden. Die Schlussfolgerung daraus: Holzschutzmittel mögen in bewohnten Räumen zwar selten vorkommen,  sind sie aber vorhanden, sind konkrete gesundheitliche Auswirkungen durchaus möglich.

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Beim nächsten Vortrag ging es um Chlorparaffine. Pascal Diefenbacher von Ecosens erklärte, was Chlorparaffine sind, wo sie vorkommen und welche Vorschriften zu beachten sind. Sein Kollege Silvan Müller erklärte anhand eines konkreten Beispiels, wie sie bei der Diagnostik und der Sanierung vorgegangen sind.

Einführend zu diesem Vortrag gab es eine kleine, nicht repräsentative Umfrage bei den Tagungsteilnehmenden zur gängigen Praxis bezüglich Chlorparaffinen. Diese zeigte auf, dass heute in der Deutschschweiz 93% der Fachpersonen Fugendichtungsmassen auf Chlorparaffine untersuchen lassen. In der Romandie sind es nur gerade mal 43%, dies obwohl Chlorparaffine gemäss der Vollzugshilfe zur VVEA eigentlich in der ganzen Schweiz untersucht werden müssen.

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Abschliessend führte Ulrike van Raden die Teilnehmenden in die Problematik der PFAS ein. Diese Schadstoff-Gruppe mag vor allem in Bezug auf Altlasten relevant sein. Eine Bauschadstoff-Fachperson sollte aber mit der Problematik vertraut sein und diese insbesondere dann beachten, wenn er oder sie Gebäude und Anlagen von Feuerwehr, Zivilschutz oder Armee untersucht, oder wenn es um Brandruinen geht, in welchen mit Löschschaum interveniert wurde.

Neue Perspektiven für die Entsorgung

Dass man Asbest-Abfälle in einer Kehrichtverbrennungsanlage (KVA) entsorgen könnte, mag zuerst einmal absurd klingen. Asbest wurde insbesondere im Brandschutz eingesetzt, bereits vor einigen Jahren wurden aber erste Versuche dazu ausgeführt. Andreas Gauer, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Ostschweizer Fachhochschule, hat nun vertieft untersucht, was mit Asbest in der KVA genau passiert. Seine Schlussfolgerungen: Offenbar sind die Temperaturen in einer normalen KVA hoch genug, dass Chrysotilfasern weitgehend zerstört, respektive zum ungefährlichen Forsterit umgewandelt werden. Noch sind einige Fragen ungeklärt, insbesondere, was mit Amphibolfasern geschieht. Bevor man diesen Entsorgungsweg vorbehaltslos empfehlen kann, sind entsprechend weitere Versuche geplant. Sollte sich herausstellen, dass sowohl Chrysotil wie auch Amphibolasbeste tatsächlich zerstört oder umgewandelt werden, so müsste die Entsorgung in einer KVA als sinnvolle Alternative zur Deponierung angesehen werden, denn die Entsorgung von Materialien mit hohem Kunststoffanteil (etwa asbesthaltige Bodenbeläge mit Asbest) in Deponien ist auch nicht unproblematisch.

Arnaud De Luca von Holcim (Schweiz) AG, sprach anschliessend über die Möglichkeiten zur Entsorgung von organisch belastetem Aushub- und Ausbruchmaterial bei der Zementproduktion. Bei der Herstellung von Zement werden die Rohmaterialien auf hohe Temperaturen erhitzt. Benutzt man nun anstatt Rohmaterialien aus einem Steinbruch belastetes Aushub- oder Rückbaumaterial, so werden die darin enthaltenen Schadstoffe durch die hohen Temperaturen weitgehend zerstört. Gute Filteranlagen helfen weiter, die Schadstoffbelastung bei diesem Prozess zu reduzieren. Somit wird es nicht nur möglich, die Abfallmengen in den Deponien zu reduzieren, sondern auch den Verbrauch von sauberem Rohmaterial zu begrenzen.

Eine weitere sehr spannende Recycling-Möglichkeit präsentierte David Heijkoop von der Firma Recycling Kombinatie Reko aus Rotterdam. Dabei ging es um das Recycling von PAK-haltigem Ausbauasphalt. Da es in Holland kaum natürliche Kiesressourcen gibt, ist die Recycling-Technologie dort schon viel weiter fortgeschritten. Insbesondere hat die Firma von David Heijkoop ein Verfahren entwickelt, mit dem Kies und Sand aus dem Ausbauasphalt zurückgewonnen und nebenher sogar noch Energie produziert werden kann. Dieses Verfahren ist trotz des langen Transportwegs nach Rotterdam auch für Abfälle aus der Schweiz eine ökologisch sinnvolle Alternative und je nach Distanz zum Rheinhafen in Basel, von wo die Abfälle mit dem Schiff nach Rotterdam gelangen, auch finanziell vorteilhaft.

Rolle und Verantwortungen der Fachplanung und Fachbauleitung

Im letzten Teil der Konferenz ging es um die Verantwortung und die Aufgaben der Fachbauleitung. Im ersten Vortrag dieses Blocks ging Simone Wiegers, Advokatin bei Advotech, der Frage nach, welche rechtliche Verantwortung die Fachbauleitung hat. Ganz kurz gefasst kann man sagen: Es kommt vor allem darauf an, was vertraglich festgehalten wurden. Für den Bauherrn ist es vorteilhaft, wenn die Verantwortung explizit und umfangreich definiert ist. Fachplaner·innen und Fachbauleiter·innen haben ihrerseits ein rechtliches Interesse, ihren Auftrag und ihre Verantwortung klar zu definieren, damit im Zweifelsfall klar geregelt ist, wer wofür zur Rechenschaft gezogen werden kann.

In den nächsten drei Vorträgen ging es um die Frage, wie ein Sanierungsbereich nach einer Asbestsanierung zu kontrollieren ist. Stefan Scherer, Arbeitshygieniker und Sicherheitsingenieur der Suva, stellte vor, was die neuen Vorgaben für die Anzahl Messpunkte für die Schlussmessung nach einer Asbestsanierung gemäss Forum Asbest Schweiz (FACH) sein werden. Der überarbeitete FACH-Leitfaden 2955 wird voraussichtlich in den nächsten Monaten publiziert.

Noch weiter als die Vorgaben des FACH geht der Kanton Genf: Gemäss Genfer Richtlinie für die Asbestsanierungen sind Kontaktproben (auch «Stempelproben» genannt) nach einer Asbestsanierung neben einer visuellen Kontrolle und Raumluftmessungen nach VDI 3492 in der Regel obligatorisch. Samuel Martignier vom Toxikologie-Dienst des Kantons Genf stellte die damit gemachten Erfahrungen vor. Für den Kanton Genf bieten solche Kontaktproben eine einfache und kostengünstige Möglichkeit, die Kontrolle der Sauberkeit der Zone über die visuelle Kontrolle und Raumluftmessung hinaus noch weiter zu treiben. Für den Rest der Schweiz sind gemäss der EKAS-Richtlinie 6503 und dem FACH solche Proben nicht obligatorisch.

Auch im Vortrag von Vincent Perret, Arbeitshygieniker und Toxikologe bei TOXpro, ging es um die Kontrollen von Bauschadstoffen in der Luft. Er wies auf die Bedeutung einer seriösen Messtechnik hin: Nur wenn alle gleich messen, sind Resultate auch vergleichbar. Er betonte insbesondere, dass die Nutzungssimulation vor einer Schlussmessung von allen Einflussfaktoren jener ist, der das Messresultat am meisten beeinflusst.

Das Schlusswort der Konferenz hatten Laurent Pellegrino, Präsident des Groupement Latin des Entreprises de désamiantage (GLED) und Marco Wiedemeier, Geschäftsleiter des diesen Sommer gegründeten Fachverbands Bauschadstoffsanierer Schweiz (FBS). Sie stellten nicht nur ihre Verbände und Prioritäten vor, sondern riefen auch zur Zusammenarbeit auf, denn nur wenn von der Diagnostik bis zum Abschluss der Sanierung und der Entsorgung der Abfälle alles rund läuft, kann der Gesundheits- und Umweltschutz wirksam sichergestellt werden.

Ausblick

Die nächste PolluConf findet am 29. September 2023 wiederum im Kongresshaus in Biel statt.

November 2022, das PolluConf Team